Straubinger-Das Stadtmagazin

8 Titel | STRAUBINGER Bambi hat unser Rehkitz geheißen, wie sonst. Auf unserem Grundstück in einer Holzhütte hat es gelebt. Auf einer Wiese haben wir es gefunden und so lang gestreichelt, bis uns ein- fiel: „Mein Gott, a Rehkitz wennst streichelst, nimmts sei Mamma ja nimmer!“ Also haben wir‘s mitnehmen müssen zu unserer Mamma. Und es wurde mit der Flasche gesäugt und sehr lieb gehabt, denn es war lieb. Zumindest so lange, bis es entdeckt hat, dass es ein Bock ist, der mit seinen Hörnern sehr gern Kinder umstoßen will. Aber davor war es lieb, und es hat mich getröstet beim schwierigen dritten Teil: „Sissi, Schicksalsjahre einer Kaiserin“. Tausende schauen, eisiges Schweigen, ein Spießrutenlauf Schicksalsjahre erträgt ein kleiner Bub nur, wenn er ein Rehkitz hat. Denn da sind ja Stellen, wo unsereiner ins Schlucken kommt, zum Beispiel am Markusplatz: Sie und der Franzl waren davor ja in der Mailänder Scala, wo Dienstboten den Gefangenenchor singen, „Va, pensiero, sull’ali dorate!“, um sie zu demü- tigen. Und dann: Venedig! Am Canal Grande verschließen Menschen die Fenster, dann der Gang zum Dogenpalast: Tausende schauen, eisiges Schweigen, ein Spießrutenlauf: „Dieses demonstrative Schweigen ist ver- nichtender als ein Attentat“, presst der Franzl hervor, man muss sich das vorstellen, ich glaube, nur kleine Buben und die CSU können das, und der Franzl sagt, dass er ihr diesen Gang gern erspart hätt. Aber die Sissi sagt wörtlich: „Mach Dir um mich keine Sorgen, Franz. Der Weg nach Madeira war schmerz- licher, und ich bin ihn gern gegangen. Für Dich!“ Ist das nicht schön? Denn 38 Minuten zuvor hat die Sissi ja verse- hentlich mitgehört, dass sie so lungenkrank ist und ihr Kind nicht mehr sehen darf und sofort nach Madeira und Korfu muss, obwohl sie wahrscheinlich eh stirbt; und die Erzherzogin Sophie hat zum Franzl gesagt, dass er sich schon um eine neue Frau schauen soll und

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