Straubinger - Frühjahr 2011

STRAUBINGER | Titel 11 schon lang wieder offen sein: Frühling ist erst, wenn es womm, womm, womm macht am Stadtplatz. „Mädels, da bin ich wieder!“ Ist das nicht wunderbar, wenn man zum ersten Mal in der Sonne sitzt in der Stadt, und es macht endlich womm, womm, womm? Mo- nate – ach, gefühlt waren es Jahre – hat man diesen Moment ja herbeigesehnt. Dieses un- glaublich überlaute, alles übertönende, jedes Gespräch zerstörende, überaus lärmende Ge- räusch, das nur eine Botschaft hat: „Mädels, da bin ich wieder!“ Dann wommert das Herz mit im Hip Hop des Frühlings und hüpft voller Freude, während langsam der Frühling herankommt. Im Bestfall in einem Cabrio, an dessen Steuer ein Jüng- ling sitzt, der nun wirklich ein Frühling ist: etwa achtzehneinhalb, die Ohren ausschließlich für die Ray Ban und Oberarme aus dem Solarium, das bringt sein weißes T-Shirt super zur Gel- tung. Erst dann, wenn dieser Achtzehneinhalb- jährige da war, weiß man: die staade Zeit ist endlich vorbei. Und dass von nun an die Sonne scheinen wird für den Rest unseres Lebens, oder, wenn man Glück hat, zumindest bis zum Volksfest. Man sitzt da vor seinem Kaffee, fassungslos blickt eine Mama mit Kinderwagen dem Lärm- ling nach, wegvibriert ist die Decke, aber das macht nichts. Es ist plötzlich warm geworden. Der Frühling ist da, wer braucht noch Decken? Ohrstöpsel reichen ab jetzt, nur die junge Mutter würde den Lärmling wohl gern vor ein Frühlingsgericht stellen, aber ein vegeta- risches und mit Brunnenkresse statt Spargel. Auch wir blicken nach und sind zufrieden, wenn am Nummernschild ein DEG steht: ein Gefühl der Zufriedenheit, wenn sich ein Vorur- teil bestätigt. Aber meistens ist ein SR dran. Vollkommenes Glück gibt es nicht einmal im Frühling. Aber immerhin fast. Dopamin und Serotonin sind nämlich Glückshormone, und die Kreativität steigern sie auch, drum gibt’s ja so viele Frühlingsgedichte voll träumender Veilchen und Harfen. Für ein paar schöne Wo- chen wird die Welt warm und mild, ein kleines Kalifornien. Der Straubinger Volksmund zum Beispiel sitzt dann gern am romantischen Ufer des Allachbachs unter Kastanien im Biergarten, blickt auf die Enterl im Wasser und denkt an Venice Beach, Kalifornien, an dessen Strand es das ganze Jahr über so mild ist wie hier am Allachbachufer, und träumerisch nennt der Volksmund das Ufer hier „Wenisch Beach“. Und plopp, plopp, plopp, machen am Ufer die kleinen Krokusse. Haindling: „Das Schöne am Frühling ist ja, dass im Frühling die Röcke kürzer werden.“ Oben am Stadtplatz laufen derweil sogar hoch angesehene Honoratioren Gefahr, kurzzeitig den Überblick zu verlieren. „Das Schöne am Frühling ist ja, dass im Frühling die Röcke kürzer werden“, sagt der ebenso lebenserfah- rene wie weitgereiste Hans Jürgen Buchner aus Haindling und fügt als persönliche Er- fahrung hinzu: „Natürlich ist der Frühling in Straubing auch nicht anders als der Frühling anderswo. Nur, dass mia ned anderswo san, sondern in Straubing. Und, dass Straubing ganz besonders schöne Mädel hat.“ Bei diesem Gedanken zieht er zufrieden an einer Zigarette. Raucher in Bayern haben Früh- lingsgedanken heutzutage ganz besonders gern, und Hans Jürgen Buchner ist Raucher in Bayern. Die fühlen sich wieder wie Menschen, wenn sie nun vor den Lokalen stehen, und nicht mehr wie Eisbären, und aus ihnen he- raus ploppen Frühlingsgefühle. Wobei man an dieser Stelle zugeben muss, dass der Frühling vielleicht doch überschätzt wird. 

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