Straubinger - Frühjahr 2014

8 Titel | STRAUBINGER glaube, dass diese Grünzügler ihre Nachzügler sind. „In ihrem angestammten Lebensraum sind sie im Brutgeschäft relativ aggressiv und ver- stehen sich selten mit anderen Arten“, schreibt Wikipedia. Das Brutgeschäft findet im Früh- ling statt, der angestammte Lebensraum ist jetzt die Voliere und uns Menschen sehen die Grünzügel-Papageien als andere Art, obwohl wir Menschen genauso gut reden können wie Papageien, oft sogar besser. Trotzdem greifen sie jeden Menschen an, der in die Voliere kommt. Da kann der Mensch noch so schön „Grüß Gott, Quatschkopf“ sagen, sie sehen ihn trotzdem nicht als einen der ihren. Das ist nicht einfach für Züchter. Wenn eine Bestie aus der Voliere entkommt? „Die machen dich fertig“, sagt der Züchter, „die beißen dich, wo sie nur können“, er spricht gleich elf erschreckende Worte. Von der ge- meinsamen Freundin weiß ich, dass er in der Vergangenheit schon oft fertiggemacht worden ist. Besonders im Frühling traut er sich nur mit Schutzhelm, Handschuh und Besen in die Vo- liere, mit dem Besen kämpft er gegen den Schwarm. Doch was, wenn geschieht, was auch in Jurassic Park 2 geschah? Wenn eine Bestie aus der Voliere entkommt? Es ist mit King Kong passiert, es ist mit Raptoren pas- siert, es kann auch mit Grünzügel-Papageien passieren. Fragen Sie nach in Wiesbaden oder in Köln, in Mainz oder Heidelberg. Tausende Papageien leben dort in freier Wildbahn. Irgendwann, so heißt es, soll bei Wiesbaden ein Sturm einen Baum auf eine Vogelhändler- Voliere geworfen haben, ein paar Halsband- sittiche sollen entkommen sein. Wie‘s auch gewesen sein mag: „Fest steht“, schreibt die Welt, „die tropischen Vögel, die ursprünglich in einem Gebiet zwischen Senegal und Sri Lanka vorkamen, überlebten nicht nur die deutschen Winter. Mit den Jahren entstanden vor allem in Stadtparks und Kleingartenkolonien entlang des Rheins beträchtliche Sittichvorkommen mit mehreren Tausend Exemplaren.“ Was, wenn da irgendwann Grünzügler ent- kommen? Kennt jemand noch „Die Vögel“ von Hitchcock? Wo sehr, sehr viele Vögel den Küstenort Bodega Bay überfielen? Und die wenigen überlebenden Menschen abreisen mussten, in ein ungewisses Schicksal und mit dem Auto? Was also, wenn eines Frühlings Tausende Grünzügler im Park an der Gabels- bergerstaße sitzen? Oder an der Cafebar? Ich will nicht mit Schutzhelm und Besen durch diese Stadt gehen, nicht jeder ist ein so harter Bursche wie die drüben im Sport. Ich will nicht abreisen müssen aus Straubing. Aber das ist noch nicht alles über das Leben in den Volieren im Frühling. Denn manchmal tritt in den Volieren ein Phänomen auf, das im Grunde gar nicht zum Frühling passt. Da ist nämlich noch eine Voliere. Sie wird bewohnt von einem Hornsittich-Pärchen, die Vorfahren stammten aus Neukaledonien, das liegt in der Südsee. Auch sie brüten im Frühling. Es sind liebe Gesellen; Südseebewohner sind alle sehr freundlich, sie tanzen Hula und schenken Blu- menketten, sie sind keine Bestien. Doch was geschah in diesem Frühling in der Hornsittich- Voliere? „Sie“, raunt die gemeinsame Freundin, „will jetzt. Weil jetzt ja Frühling ist.“ Und dann verschwörerisch: „Aber das Männchen, das hat keine Lust!“ Da sitzt also ein Weibchen in der Voliere, be- reit, sich dem hinzugeben, was die Bibel mit „Und sie erkannten einander“ umschreibt. Doch das Männchen erkennt sie nicht. Es mag keinen Sex. So etwas ist schlimm für den Züchter. Hornsittiche werden vergleichsweise selten gehalten, 1994 gelang erstmals eine Nachzucht, es war auf Teneriffa. Wenn dann ein Weibchen da sitzt, in der Voliere, mitten im Frühling, und bereit ist, Eier zu legen; bereit,

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