Straubinger - Frühjahr 2015
8 Titel | STRAUBINGER kein Frühlingsgedicht macht, dann heißt er we- nigstens mit Nachnamen Lenz, wie der Dichter der „Deutschstunde“, und ist im Frühling ge- boren. Ist dies also eine Stadt, die den Frühling so liebt, dass sie gleich zwei Straßen nach ihm benennt? Aber wenn sie den Frühling so liebt: Warum ist dann unser Frühlingsfest so, nun ja, sagen wir winzig? Und wenn Liebe der Grund wäre: Müsste es dann nicht haufenweise Volks- feststraßen geben bei uns? Innere, äußere? Vordere, hintere? Obere, untere, mittlere und vielleicht sogar eine riesige: „An den Fest- wirteverein, Riesige Volksfeststraße 2, 94315 Straubing“, ein Antrag auf Bierpreis-Ermäßi- gung. Herr und Frau Frühling: Vorfahren der Lenzens? Doch es gibt keine Volksfeststraßen. Dass es gleich zwei Frühlingstraßen hier gibt, muss einen anderen Grund haben. Aber welchen? Gab es vor Zeiten in dieser Stadt vielleicht einen Herrn oder Frau Frühling, Vorfahren der Lenzens, die etwas Besonderes taten? So wie Jakob Sandtner etwas Besonderes tat, als er das Sandtnermodell drechselte, jedoch noch ohne die Sandtnerstraße, die ja eine späte Be- lohnung für seine Drechslerei war? Aber nirgendwo, in keinem Archiv, findet sich ein Hinweis auf einen Herrn oder Frau Frühling und ein von ihnen gedrechseltes Frühlings- modell. Man wüsste auch gar nicht, wie das aussehen könnte – mit gedrechselten Kro- kussen vielleicht? Das ist schwer vorstellbar, außerdem erklärt es das mit dem inneren und äußeren Frühling wohl kaum. Dafür erfuhr ich anderes Interessantes von Herrn und Frau Lenz: Dass dort, wo das „Sun- point“ war, vor wenigen Jahrzehnten noch ein Wirtshaus mit Biergarten war. Der Wirt hieß „da Oschback‘n-Wirt“: der Arschbacken-Wirt. Klingt das nicht schön? Man weiß nicht warum, aber er hieß so, und er war genau vis-à-vis vom „Green Horse Pub“, das jetzt aber „Dragon Pub“ heißt und früher das „Café Luitpold“ war. Und im Biergarten des „Oschback‘n-Wirts“ waren wunderbare Kastanien. Da konnte man drunter sitzen und Bier trinken. Frühling in der Inneren Frühlingstraße muss damals schöner gewesen sein als jedes Solarium. Noch bis in die Sechzigerjahre haben die Nach- barn vom „Oschback‘n-Wirt“ Bier im Krug ge- holt, für daheim, und weiter unten war noch ein Wirtshaus, das „Frühlingsgarten“ hieß, aber gar keinen Garten hatte. Frau Lenz erin- nert sich noch gut an den „Frühlingsgarten“: „Dort haben sie immer das ,Kufsteinlied‘ gespielt“, sagt sie und lächelt. Jeder, dem in seiner Jugend immer das „Kufsteinlied“ vor- gespielt wurde, erinnert sich gut daran. Man denkt an Urlaub, man denkt an Tirol, an liebe Maderl, blühende Almen und Frühling, so ist das doch. Heute ist ein Shisha-Café im früheren „Früh- lingsgarten“. Im Frühling sind sogar Tische im Freien, und zumindest bei der Frage, ob es inneren und äußeren Frühling überhaupt gibt, hilft Herr Lenz weiter. „Ja“, sagt er, „die gibt es tatsächlich. Äußerer Frühling“, erklärt er, „ist, wenn nach dem Winter die ersten Blümerl wieder kommen.“ Aha. Und innerer? „Wenn ich mir die anderen Leut‘ anschau“, sagt Herr Lenz, „und sie ham de depressiven Gesichter nimmer auf.“ Das ist eine schöne Erklärung. Die Innere Frühlingstraße wäre demnach eine Fröhliche- Gfrieser-Straße, vergleichbar mit Regensburgs Fröhliche-Türken-Straße. Die Äußere Frühling- straße wäre einfach eine Frühlingstraße, wie es sie überall gibt, in München, in Berlin und auch in Wien, aber eben nur eine. Und selbst in Kufstein gibt es nur eine, die allerdings in die Herbststraße mündet, und nur in Straubing gibt’s zwei.
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