Straubinger - Volksfest 2012
STRAUBINGER | Titel 7 I st das nicht wunderbar, wie die Stadt sich rüstet zum Jubi- läum? Wie überall Konzerte und Vorträge sind?Wie alle forschen, was sie alles zutage fördern? Die Geschichte des Hagens zum Beispiel: hochinteressant. Oft genug haben wir uns ja selber schon hingerichtet am Hagen, mit Bier bis zum Scheintod. Aber jetzt wissen wir, dass man das früher auch schon gemacht hat. Nur nicht mit sich selber, sondern mit anderen, und nicht nur bis zum Scheintod. Der Hagen war nämlich eine Zeitlang auch offi- ziell der Hinrichtungsort. In etwa da, wo heute die Ponyreitbahn ist, waren die Hinrichtungen, jede ein Volksfest: Tausende kamen, um sich zu gruseln, und wenn dann der Scharfrichter mit einem Hieb Kopf und Körper getrennt hat, drängten alte Weiblein sich an das Blutgerüst, um das aus der Halswunde des Delinquenten sprudelnde Armesünderblut aufzufangen, dem man wundersame Wirkungen zuschrieb. Weiblein, die mit speziellen Gefäßen eine Flüs- sigkeit auffangen, weil diese Flüssigkeit dem Körper guttut: Bitte, seien wir ehrlich, wen er- innert das nicht an die ersten Schankkellner? Eigentlich schade, dass dieser Brauch letztlich nicht in das Volksfest integriert worden ist so wie auf dem Oktoberfest, wo der Schichtl seit fast 150 Jahren mit dem berühmten Ruf „Auf geht’s beim Schichtl!“ die Leute köpft. Überhaupt: Es sind ja einige Chancen vertan worden. Warum zum Beispiel gibt es keine Zeitreisemaschine am Hagen, ausgerechnet zum Jubiläumsfest nicht? Die Ausrede, dass die Wissenschaft noch nicht so weit sei, kann man nicht gelten lassen; der Schichtl auf dem Oktoberfest kann ja auch Menschen köpfen, die danach weiterleben, obwohl die Wissen- schaft sagt, dass das gar nicht geht. Ist es da zu viel verlangt, wenn man, ausnahmsweise, ein einziges Mal, für das Jubiläumsvolksfest gern eine Zeitmaschine hätte? Nur eine Kabine, eine ganz kleine, neben dem Vogel-Jakob und nur für eine Person, damit die Wissenschaft nicht komplett überfordert ist: Ist das zu viel verlangt? Fünf Euro wäre uns das leicht wert. Dann nimmt man Platz, stellt eine Zeit ein, und schwupps, ist man dort, der Ort wäre natürlich derselbe. Und weil es ein Jubi- läumsfest und alles retro ist, ginge es natürlich nur in die Vergangenheit. 30 Pfennig kostet da die Maß Und wohin genau? Auf keinen Fall nach 1912. Da ist das ganze Fest überschwemmt, man würde ertrinken unmittelbar nach Verlassen der Kabine, das wäre nicht gut. Da wäre 1900 schon besser, 30 Pfennig kostet da die Maß nur, also nur 15 Cent. Mit dem Preis von heute könnte man da 44 Maß Bier trinken und hätte immer noch 1,30 Euro übrig fürs Trinkgeld. Oder 1962: Schnell einmal zählen, ob beim Festzug zum 150. Volksfest wirklich über Hagen, ach,wunderbar! VonWolfgang Engel Überschwemmung 1912 Überschwemmung: Das Volksfest 1912 fiel buchstäblich „insWasser“
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