Straubinger - Ausgabe 16 | 2016

10 Titel | STRAUBINGER Sommer, wenn die Tage lang waren und klar, ist er oft vorbeigekommen und hat zu einem Bärwurz nicht nein gesagt. Er kam auf dem Rückweg von Haselbach, fünf Kilometer zu Fuß; dann hat er sich hingesetzt auf die Gredbank vis-a-vis vom Grand, er hat einen Bärwurz getrunken und ein wengerl geratscht, aber nicht viel; was keinen Wert hatte, das wusste er, und auch, was einenWert hatte, und einmal hat er für meine Mama unseren Tauben das Kragerl umdraht. Es war so schön, diese Zeit. Vergiftet hätte er Tauben nie. Sehnsucht nach einem Sommer im Bayerischen Wald Ich weiß nicht, wie Ihnen das geht; aber ich habe jetzt, wo der Sommer wie jedes Jahr kommt und die Welt aus den Fugen geht, manchmal eine Sehnsucht. Nach einem Sommer im Bayerischen Wald und einer Zeit, als einem Buben wie mir die gebratenen Tauben gleichsam in den Mund flogen und genau dies das größte Problem eines achtjährigen Mädchens war; Schwestern sind seltsameWesen, wenn man selber erst sieben ist, und manchmal denke ich: Gäbe es Zeitreisen, ich würde wissen, wohin. Aber das geht nicht, wegen der Bildzeitung und ihrem Entscheid gegen Zeitreisen. Einmal hat sich übrigens eine Taube an mir gerächt für den Verzehr ihrer Verwandtschaft. Ich war zum ersten Mal unterwegs mit einem neuen Hemd, und auch, wenn’s mir keiner glaubt: Es war ein Markenhemd, ziemlich teuer. Da flog eine Taube daher und hat mich voll angeschissen. Voll auf den Ärmel. Voll groß. Der Schiss einer Monstertaube. „Schatz, geh, bring das Arsen gschwind her“, hätte ich da am liebsten mit Georg Kreisler gerufen, „das tut sich am besten bewährn, streu‘s auf a Grahambrot kreuz über quer, nimm‘s Scherzl, das fressen‘s so gern!“ Es ist ja doch unangenehm, wenn man mit dem Schiss einer Monstertaube am Ärmel auf einen Termin muss, im Sommer noch dazu, wenn‘s jeder sieht. Aber das darf man nicht tun, das Kreisler-Lied ist ja auch ironisch gemeint, und die Sommer der gebratenen Tauben sind heute vorbei. Die Straubinger Tauben genießen so manche Leckerei – auch wenn ihnen das nicht immer gut tut.

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