Straubinger - Ausgabe 16 | 2016

14 Titel | STRAUBINGER Der sechsjährige Tobias ging mit seiner Oma am Faschingssamstag, wie jeden Samstag, in die Stadt zum „Schoppen“, wie Omi immer lächelnd sagte. Das machte Riesenspaß und es fand sich auch immer wieder etwas, das man unbedingt brauchte. Beim Bummel über den Stadtplatz kamen sie natürlich auch am Stadtturm vorbei. Tobias begrüßte ihn wie einen alten Freund. „Hallo, da bin ich wieder. Hattest Du eine schöne Zeit?“ Er sah hinauf zum Stadtturm und erschrak. Sein alter Freund sah traurig aus. Seine fünf Spitzen, die sonst stolz in den Himmel ragten, ließen den Kopf hängen wie die Blumen auf Omis Fensterbank. „Was ist mit Dir? Warum bist Du so traurig?“ „Ach, Tobi, schau mich an“, sprach der Stadtturm mit weinerlicher Stimme, „sieh nur, was man mir angetan hat! In ein Korsett aus Holz und Stahl hat man mich gezwängt. Einen neuen Mantel soll ich bekommen und meine Uhr tickt auch nicht mehr ganz richtig. Schließlich bin ich nicht mehr der Jüngste, das sehe ich auch ein. Aber nun steh‘ ich schon seit Monaten so da. Ich möchte doch das Schmuckstück der Stadt sein und nicht ihr Schandfleck!“, schluchzte der Stadtturm. Tobias legte tröstend seine kleine Hand auf die Mauer des Stadtturms. Da spürte er die großen dicken Tränen, die der Stadtturm weinte. Tobias schluckte. „Weine nicht, bald bist Du wieder schön. Und alle schauen auf Dich, wenn man wissen will, was die Stunde geschlagen hat“, versuchte er zu trösten. „Bald – wann ist das? Weißt Du, mein kleiner Freund, um die schönste Zeit im Jahr hat man mich betrogen. Schon im Frühjahr freue ich mich auf die Zeit, wo ich Der traurige Stadtturm Die Geschichte einer Freundschaft Von unserer Leserin Monika Meyer ImWinter 2008/2009 war der Stadtturm an der Westseite eingerüstet, weil dieTurmuhr saniert wurde. Monika Meyer erinnert sich.

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